Zu kurze Fristsetzungen des BfArM im DiGA-Zulassungsverfahren
Seit Mai 2020 können Unternehmen ihre Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) anmelden.
Im Rahmen dieses Aufnahmeverfahren prüft das BfArM, ob die Unterlagen und die zu erbringenden Nachweise vollständig eingegangen sind. Stellt das BfArM im Rahmen dieser Überprüfung fest, dass die Antragsunterlagen unvollständig sind, fordert es den Antragsteller auf, den Antrag innerhalb einer Frist von bis zu 3 Monaten zu ergänzen und die Änderungen beziehungsweise Ergänzungen über das Antragsportal einzureichen.
Derzeitig scheint es dabei vom BfArM gängige Praxis zu sein, nach Antragstellung zur Aufnahme, und dabei ist es egal, ob es im Rahmen des Fast-Tracking geht oder aber direkt um die endgültige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis, dass das BfArM eine sehr lange Mängelliste an die Antragsteller herausgibt, und diese auffordert die Mängel zu beseitigen, da ansonsten der Antrag negativ beschieden würde.
Die Mängel umfassen dabei sämtliche Bereiche der notwendigen Voraussetzungen des DiGA-Antrags. Von Nachfragen bzw. Mängel im Bereich von Datenschutz, Datensicherheit, Interoperabilität, der systematischen Datenauswertung bis hin zur geplanten Studie im Rahmen des Fast Trackings ist alles dabei.
Das Herausgeben einer Mängelliste ist dabei gängige Verwaltungspraxis und gehört im Rahmen des Anhörungsgrundsatzes vor der Bescheidung einer Ablehnung zur Aufnahme in das genannte DiGA-Verzeichnis dazu. Dies beruht mangels spezialgesetzlicher Normierung in der DiGA-Verordnung auf § 28 I VwVfG bzw. auf § 24 SGB X. Danach darf ein ablehnender Verwaltungsakt erst erlassen werden, wenn die Behörde den Beteiligten vorher angehört hat. Hierzu kann die Behörde dem Beteiligten eine Frist zu Stellungnahme setzen.
Von dieser Fristsetzung macht das BfArM regen Gebrauch. Allerdings ist es dabei gängige Praxis, im Rahmen der DiGA-Anmeldung eine sehr kurze Frist von wenigen Tagen bis maximal einer Woche zur Behebung der Mängel zu setzen. Würden die Mängel nicht innerhalb der Frist beseitigt, solle der Antragsteller alternativ den Antrag zurücknehmen, da ansonsten der Antrag negativ beschieden werden würde.
Fraglich ist, ob eine so kurze Frist sinnvoll oder überhaupt zulässig ist.
Eine von der Behörde gesetzte Frist ist eine behördliche Frist nach § 26 Abs. 1 SGB X, die lediglich das Ende des Zeitraums markiert, den die Behörde als angemessen für eine Äußerung ansieht.
Zwar ist es damit grundsätzlich möglich eine sehr kurze Frist von wenigen Tagen zu setzen, allerdings nur, solange dies als angemessen hinzunehmen ist. Ob dies angemessen ist, muss aber immer im Einzelfall beurteilt werden.
Zur Beurteilung, ob die Frist im Rahmen der Anhörung angemessen ist, bedarf es einen genauen Blick auf die Umstände, die mit dem Antrag beschieden werden sollen. Welche Zeit angemessen ist, hängt insbesondere vom Umfang und der Schwierigkeit der Sache, der Sachkunde und Erfahrenheit der Beteiligten oder den Möglichkeiten, Beratung zu erlangen ab. Der betroffene muss ausreichend Zeit gewährt werden, in dem er sich überlegen kann, inwiefern er sich äußern will. Als Richtwert kann man jedoch festhalten, dass eine Frist von einer Woche allgemein als zu kurz angesehen wird (BSG 14.11.1984 – 1 RA 3/84, NVwZ 1986, 596 = Breith 1985, 876).
Was also tun, wenn das BfArM eine aus Sicht des Betroffenen zu kurze Frist setzt?
Eine unangemessen kurze Frist steht einer unterlassenen Anhörung gleich, was zur Folge hat, dass der Verwaltungsakt formell rechtswidrig ist. Die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes betrifft dies jedoch grundsätzlich nicht. Die Angemessenheit der Anhörungsfrist unterliegt dabei der vollen Nachprüfung durch die Gerichte. Der Behörde hat insoweit keinen Entscheidungsspielraum.
Da es sich bei einem Anhörungsfehler um einen relativen Verfahrensfehler handelt, kann er nur zur Aufhebung des Verwaltungsaktes kommen, wenn sich der Fehler auf das Ergebnis ausgewirkt hat, mithin auf die Ablehnung des Antrages zur Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis.
Für eine kurze Frist seitens des BfArM spricht wiederum die gesetzlich bewusst gewählte Kurze Zeit für das Zulassungsverfahren. Das BfArM hat somit ein berechtigtes Interesse derartige „Zwischenschritte“ in diesem Verfahren nicht unnötig auszudehnen. Außerdem könnte man für die Nachreichung von Unterlagen auch darauf verweisen, dass ja bereits bei Antragstellung alle Unterlagen hätten eingereicht werden müssen. Die Anhörung kann also nicht darauf abzielen eine langwierige Einreichung weiterer Unterlagen zu unterstützen.
Im Ergebnis muss die Fristsetzung in diesem Rahmen einen guten Kompromiss bei den genannten Interessen abbilden. Dennoch bleibt fraglich, ob dies mit den derzeit gesetzten kurzen Fristen gelungen ist und eine gerichtliche Überprüfung könnte zumindest in Einzelfällen Aussicht auf Erfolg haben.
Außerdem könnte dieser Hintergrund den Herstellern auch die Möglichkeit erleichtern, diese Frist zu verlängern. Besteht z.B. die Möglichkeit die angefragten Unterlagen in drei Wochen nachzuliefern, aber nicht in einer, dann könnte eine solche Fristverlängerung beim BfArM angefragt werden.
In jedem Fall ist dies keine Einseitige Rechtsbeziehung und die Hersteller sollten Ihre Chancen auf weiteren Bestand ihres Antrags immer auch rechtlich überprüfen, bevor man hier einfach einen Rückzieher macht.
Hamburg, 9.9.2021
Katharina Leukel
Sebastian Vorberg