Vom Medizinprodukt zur DiGA – der Weg über den positiven Versorgungseffekt.

Der Begriff der positiven Versorgungseffekte (pVE) trat erstmals mit dem am 19. Dezember 2019 in Kraft getretenen Digitale Versorgung-Gesetz (DVG) auf. Dieses schaffte durch die neuen §§ 33a und 139e SGB V einen klaren Regulierungsrahmen für die Erstattung von digitalen Gesundheits-anwendungen (= DiGA). Nach dem DVG erhält der gesetzlich versicherte Patient nun einen Leistungsanspruch auf die Versorgung mit DiGA, welche zukünftig von einem Arzt verordnet und von den Kassen erstattet werden können. Kern des DVG und der Erstattungsfähigkeit ist die Aufnahme der jeweiligen Anwendungen in das dafür neu geschaffene und vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführte Verzeichnis nach § 139e SGB V.

Die positiven Versorgungseffekte umfassen dabei nach der Definition in DVG und DiGAV zwei Bereiche, zum einen den medizinischen Nutzen (mN) und zum anderen die patientenrelevanten Struktur- und Verfahrensverbesserungen (pSVV) in der Versorgung. In beiden Fällen sollten sich diese unmittelbar auf den Patienten beziehen und müssen mittels entsprechender Endpunkte nachgewiesen werden. Soll ein Antrag auf vorläufige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis gestellt werden (nach § 139e Abs. 4 SGB V), so muss der Hersteller nun nach § 14 DiGAV plausibel darlegen, dass die DiGA für eine bestimmte Patientengruppe einen oder mehrere dieser positiven Versorgungseffekte erzielen kann. Wird ein mN als nachzuweisender pVE gewählt, so muss die DiGA eine Verbesserung patientenrelevanter Endpunkte insbesondere bezüglich Morbidität, Mortalität oder Lebensqualität aufzeigen. Für die pSVV ist hingegen die Rolle des Patienten im Gesundheitssystem im Fokus und soll unter anderem auf eine bessere Koordinierung der Versorgungsabläufe abzielen, sowie die Patienteninformation und Patientensouveränität fördern.

Die pVE können auf zweierlei Arten erarbeitet werden. Da sich die DVG ausschließlich auf Produkte bezieht, die bereits als Medizinprodukte der Risikoklasse I oder IIa verkehrsfähig auf dem Markt sind, entsteht jede DiGA auf Grundlage eines klassifizierten Medizinproduktes. Die erste Möglichkeit besteht daher darin, bereits während der Klassifizierung als Medizinprodukt die Grundlage für den pVE der DiGA zu schaffen. Dabei können die in der klinischen Bewertung identifizierten Claims als pVE im Bereich des mN für die DiGA angepasst und wiederverwendet werden. Sollte für die DiGA zusätzlich noch ein pVE im Bereich der pSVV gewünscht sein, so müsste nur dieser noch erstmalig identifiziert werden.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, den pVE im Rahmen des DiGA-Antrags zu erarbeiten. Dabei hat die DiGA zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits alle Anforderungen gemäß den §§ 3 bis 6 DiGAV erfüllt. Da das Produkt zuvor schon im Rahmen des CE-Siegels als Medizinprodukt zertifiziert wurde, ist auch der Nachweis der Funktionstauglichkeit, Sicherheit und Qualität des Medizinproduktes (vgl. § 139e Abs. 2 Nr. 1 SGB V n.F.)[1]gegenüber dem BfArM bereits geleistet worden ist. Praktisch ist, dass die hier geprüften Kriterien gleichermaßen auf die entsprechende DiGA (§ 139e Abs. 2 Nr. 1, 2 SGB V n.F.) anwendbar sind und daher auch nicht erneut durch das BfArM geprüft werden müssen. Entsprechend muss für die DiGA nun lediglich noch die Studie zum Nachweis des pVEs, welche in einem Zeitraum von zwölf Monaten durchgeführt werden muss, nachgewiesen werden. Sollte der pVE nicht ausreichend nachgewiesen werden können und das Produkt in dem Verfahren zur Eintragung in das Verzeichnis abgelehnt werden, so ist eine Erstattung auch in Zukunft nicht mehr zu erreichen.

Wie der konkrete Nachweis der pVE geführt werden soll, ist durch eine herstellerunabhängige Institution (§ 139e Abs. 4 S. 2 SGB V) in einem nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards erstelltem Evaluationskonzept darzulegen (§ 15 DiGAV). Dieses muss geeignet sein, die Nachweise nach §§ 10 bis 12 zu erbringen und des Weiteren die Ergebnisse einer systematischen Datenauswertung nach § 14 berücksichtigen. Die systematische Datenauswertung umfasst dabei eine systematischen Literaturrecherche und -bewertung sowie den Einschluss systematisch ausgewerteter Daten, die in der Anwendung der eigenen DiGA gewonnen wurden.

Im Rahmen der Literaturrecherche werden vorhandene Informationen über das Krankheitsbild, verfügbare Interventionen und Auswertungen zum Nutzen dieser, systematisch erfasst. Dazu muss im ersten Schritt eine geeignete Suchstrategie entwickelt und die optimale Auswahl an erforderlichen Datenbanken getroffen werden. Die angewandte Suchstrategie muss im Rahmen der Literatur-recherche kurz zusammengefasst und begründet werden, einschließlich der verwendeten Quellen, Suchfragen, Suchbegriffe, Auswahlkriterien, die auf das Ergebnis der Recherche angewandt wurden, Maßnahmen zur Qualitätskontrolle, Ergebnisse, Anzahl und Art der als relevant befundenen Literatur sowie verwendete Beurteilungskriterien.

Um geeignete Ergebnisse zu erhalten welche relevante Studien einschließen und nicht-relevante korrekt ausschließen, ist eine optimale Formulierung des Suchterms nach der PICOS-Fragestellung, die Definition von Ein- und Ausschlusskriterien, sowie die Nutzung bestehender Klassifikationssysteme, wie MeSH-Terms, notwendig. Die gewählten Suchbegriffe werden dann mittels Boolean Operators verknüpft und die Suchanfrage gestartet.

Die gefundene Literatur muss im Anschluss bewertet werden. Dabei werden die Veröffentlichungen anhand von Titel und Kurzfassung auf Grundlage der Ein- und Ausschlusskriterien bewertet. Im zweiten Schritt wird dann die Bewertung anhand der vollständigen Veröffentlichungen durchgeführt. Die Bewertung und Auswahl der Literatur wird zusammenfassend schematisch dargestellt, in welchem auch die exkludierten Artikel mit entsprechender Begründung vorliegen.

Da die Methodik und Durchführung der Literaturrecherche im Antrag gegenüber dem BfArM aufgezeigt werden muss, sollte sich diese entsprechend an definierte Standards, wie beispielsweise den PRISMA Empfehlungen, halten. Auch muss diese später reproduzierbar von den Prüfern der BfArM angewendet werden können und zu denselben Ergebnissen kommen. Im Weiteren sind ebenfalls die verschiedenen Evidenzlevel der Studien zu beachten, sowie eine Bewertung hinsichtlich des Verzerrungspotenzials der gefundenen Literatur durchzuführen.

Für das Evaluationskonzept müssen nun die Daten aus der eigenen DiGA, sowie die Ergebnisse der Literaturrecherche entsprechend ausgewertet werden. Auf dieser Grundlage können nun die patientenrelevanten Endpunkte gewählt werden. Dazu zählen unter anderem die Verbesserung des Gesundheitszustands, die Verringerung von Nebenwirkungen oder auch eine Verbesserung der Lebensqualität. Endpunkte wie z.B. die Lebensqualität können später mithilfe von validierten Fragebögen erhoben werden. Die entsprechenden Endpunkte, von deren erfolgreichen Nachweis man auf Basis der systematischen Datenauswertung und Literaturrecherche ausgeht, können dann wiederum den pVE zugeteilt werden können, sodass diese hier nun endgültig bestimmt sind.

Auf dieser Basis kann dann der Studienplan mit den gewählten Endpunkten im Rahmen des Evaluationskonzeptes vorgestellt werden, der den Nachweis des pVE in Aussicht stellt. Wichtig ist dabei, dass der Nachweis des pVE in Form einer quantitativ vergleichenden und in Deutschland durchgeführte Studie vorgelegt wird. Diese muss zudem in einem öffentlichen Studienregister eingetragen und die Ergebnisse anschließend veröffentlicht werden.

Gerne unterstützen wir Sie in Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner QuR.digital bei der Herausarbeitung der pVE, auch im Rahmen eines Workshops, und erstellt Ihnen als herstellerunabhängiges Institut das Evaluationskonzept für Ihr Produkt.

[1] Dies geht aus S. 66 f. der Begründung des DVG-Entwurfs hervor.