Lieferando für Arzneimittel – Neues Geschäftsmodell in der Kritik
Spätestens seit der Corona-Pandemie und dem kollektiven Zuhausebleiben haben Lieferdienste für alle Bereiche der täglichen Besorgungen einen regelrechten Boom erlebt. Das vormals auf warme Speisen ausgerichtete Bestell- und Liefer-Konzept weitete sich zunehmend auch auf andere Bereiche aus. Dazu zählen nicht nur Einkäufe und Getränke. Nunmehr gibt es auch einige Anbieter, die eine prompte Arzneimittelzustellung versprechen.
Die Idee des Arzneimittel-Boten ist zwar nicht neu. So steht es jeder Apotheke frei, Arzneimittel über einen „Boten der Apotheke“ zuzustellen (§ 17 Absatz 2 Apothekenbetriebsordnung). Viele Apotheken betreiben sogar einen eigenen Botendienst. Dieses Angebot hinkte aber in puncto Flexibilität und Usability gegenüber dem aktuellen Quick-Commerce-Angeboten oftmals noch hinterher. Das führte dazu, dass derzeit Drittanbieter-Lieferdienste wie „Mayd“, „First A“, „Phaster“ und „Kurando“ mit dem Angebot einer schnelleren und User-freundlichen Arzneimittelieferung mittels eigener App auf den Markt drängen. So schnell diese Services aufkamen, so stark ist der Markt schon wieder im Umbruch. Neben der üblichen Marktverdrängung ist dies auf rechtliche Bedenken und behördliches Einschreiten zurückzuführen. Insbesondere das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, kurz LaGeSo, geht dagegen vor und prüft den Verstoß gegen das Apothekenrecht.
Rechtlich gesehen gibt es dazu einige interessante Anknüpfungspunkte. So wird man nicht von der Hand weisen können, dass der Nutzer in der App auf den ersten Blick den Eindruck bekommt, er kaufe direkt bei dem Lieferdienst ein Arzneimittel. Das wäre allerdings verboten, da Arzneimittel grundsätzlich nur durch Apotheken abgegeben werden dürfen (§ 43 Absatz 1 Arzneimittelgesetz.) Um dieses Apothekenprivileg nicht zu verletzen, muss sichergestellt werden, dass der Kaufvertrag auch bei Einschaltung eines Lieferdienstes immer nur zwischen dem Kunden und der Apotheke zustande kommt.
Der Lieferdienst darf daher selbst nicht ein Arzneimittel kaufen und weiterverkaufen. Er darf aber sehr als Vermittlungsplattform für den Kauf zwischen Apotheke und Lieferdienst dienen. Die Apotheke und der Lieferdienst kooperieren dann dergestalt, dass die Apotheke den Lieferdienst mit der entsprechenden Auslieferung des bei der Apotheke gekauften Arzneimittels beauftragt. Dafür erhält der Lieferdienst z.B. eine Provision, die sich gegebenenfalls an dem Umsatz des Geschäfts bemisst.
Bemängelt wird zunächst, dass es sich bei diesem Konzept nicht um die Einschaltung eines „Boten der Apotheke“ handelt, wie es die Apothekenbetriebsordnung nur gestattet. Sicher ist der Lieferfahrer des Lieferdienstes kein Angestellter der Apotheke und obliegt somit auch nicht der organisatorischen Eingliederung in der Apotheke. Welches Risiko sich daraus ableiten soll, bleibt indes fraglich. Auch die von der Apotheke beschäftigten Boten sind in der Regel keine pharmazeutisch-fachkundigen Mitarbeiter. Auch vorgeschrieben ist das nicht. Wenn sogar der Postversand und damit eine gänzlich fachunkundige Versandform für Arzneimitteln erlaubt ist, kann es auch Inhalt nicht darauf ankommen, ob ein Bote bei der Apotheke angestellt ist oder für einen externen Lieferdienst arbeitet.
Kritisiert wird daneben auch, dass eine „Vereinbarung der Zuführung von Patienten“ vorliege, wenn der Lieferdienst und die Apotheke vertraglich kooperieren. So werden teilweise in den Apps bestimmte Apotheken bevorzugt dargestellt („Partner-Apotheke“). Damit würde eine unerlaubte Steuerung des Kunden einhergehen, welche die grundsätzlich zu achtende freie Apothekenwahl des Kunden verletze. Das hier betroffene Spannungsfeld zwischen der Bewerbung einer Apotheke (oder z.B. auch einer Arztpraxis) als „Partner“ für einen bestimmten gewerblichen Dienstleister und der freien Apotheken- beziehungsweise Arztwahl ist bereits Gegenstand einiger Verfahren geworden. In rechtlicher Hinsicht ist bereits mit der Entscheidung zu „www.2te-Zahnarztmeinung.de“ des BGH klargestellt worden, dass es darauf ankommt, dass Provisionen dann eben nicht für die Vermittlung von Patienten fließen, sondern für die Nutzung der Plattform als Werbeauftritt an sich (BGH, Urteil v. 1.12.2010 – I ZR 55/08). Im Detail kommt es dabei auf das entsprechende Vertragswerk an. Grundsätzlich kann aber auch der prominente Auftritt als „Partner-Apotheke“ als Werbemaßnahme ausgestaltet und damit grundsätzlich erlaubt sein. Freilich muss der Nutzer immer die reale Option haben, eine andere Apotheke auszuwählen, um sein Recht der freien Apothekenwahl zu gewährleisten.
Insgesamt zeigt sich hier ein Mechanismus, den wir von der Betreuung innovativer Mandate her zuhauf kennen. Es prallen junges und findungsreiches Unternehmertum in dem hochregulierten Gesundheitsmarkt auf alteingesessene Strukturen, Kammern und Behörden. Oft wird dabei der Blick für das wesentliche vergessen: Handelt es sich zunächst um eine Entwicklung, welche den Menschen nutzt und die Versorgung verbessern kann? Mit teils kreativen Lösungen und Ansätzen können dann auch solche Unternehmungen eingefangen und auf rechtliche belastbare Beine gestellt werden. Die weitere Entwicklung von Dritt-Lieferdiensten für Arzneimittel darf mit Spannung beobachtet und mitgestaltet werden.