Innovative Medizin: Recht und Regulation für FemTech-Produkte
Was meint „FemTech“?
Die „FemTech“-Branche, kurz für „Female Health Technology“, schafft technische Lösungen für die Gesundheit von Frauen. Die Kategorisierung FemTech umfasst damit eine Reihe von Themen und Produkten zu Schwangerschaft, Menstruation, weiblicher Sexualgesundheit und Fruchtbarkeit, die von der historisch männlich geprägten Forschung und Entwicklung in den letzten Jahrzehnten weniger stark berücksichtigt worden sind. FemTech-Produkte verfolgen oft innovative Ansätze wie Apps oder Smart Devices, die von Start-Ups im Gesundheitsbereich entwickelt werden.
Die drei häufigsten Rechtsfragen zu „FemTech“-Produkten
Als Rechtsanwälte für innovative und digitale Vorhaben im Bereich Medizin bekommen wir den wachsenden „Trend“ zu FemTech-Produkten in unserer täglichen Arbeit zu spüren. Dabei haben wir insbesondere drei typische Problemfelder identifiziert, die wiederkehrend thematisiert werden (müssen):
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Habe ich ein Medizinprodukt?
Die fast schon „klassische“ Eingangsfrage der rechtlichen Beratung im Gesundheitsbereich dreht sich um die Einordnung eines Produktes als Medizinprodukt oder nicht. Das bestimmt sich grundsätzlich nach der EU-Medizinprodukteverordnung, auch „Medical Device Regulation“ und kurz: „MDR“ genannt. Art. 2 Nr. 1 MDR legt fest, dass ein Produkt dann ein Medizinprodukt ist, wenn es einen bestimmten medizinischen Zweck verfolgt. Erfasst sind übrigens sowohl verkörperte als auch Software-Produkte, wie z.B. eine App.
Den Zweck des Produktes darf der/die Hersteller/in (folgend nur: „Hersteller“) des Produktes im Rahmen einer Zweckbestimmung festlegen. Diese ergibt sich aber nicht nur aus der als „Zweckbestimmung“ betitelten Erklärung, sondern ebenso aus Materialen der Werbung, Produktdarstellung, Gebrauchsanleitungen und allen Informationen, die der Hersteller für sein Produkt zur Verfügung stellt und damit verantwortet.
Der Fokus von FemTech auf „Frauengesundheit“ offenbart dabei einig zuvor wenig geführte Diskussionen und Ansatzpunkte, die zwingend bei der rechtlichen Bewertung berücksichtigt werden müssen: Ist PMS eine Krankheit? Wann ist die App-gestützte Begleitung einer Schwangerschaft „Medizin“? Nimmt ein Smart Device zum Tracken der weiblichen Fertilität eine „Diagnose“ vor? Alles Fragen, die uns im Kontext von innovativen FemTech-Produkten bereits begegnet sind. Sie können und sollten mit einer zielgerichteten und fokussierten Abgrenzung und Einordnung in die gewünschten rechtlichen Bahnen gelenkt werden, um ein Produkt so auf dem Markt zu platzieren, wie es der Hersteller strategisch und wirtschaftlich umsetzen möchte.
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Kosmetik, Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel?
Die Abgrenzung dieser drei Kategorien ist nichts anderes als das umgangssprachliche „Minenfeld“. Den schwierigen Hintergrund kann man mit dem Rechtsbegriff des „Präsentationsarzneimittels“ gut auf einen Nenner bringen. Ein solches ist ein Produkt, das zwar keine pharmakologischen Eigenschaften besitzt, und damit nicht als ein „echtes“, sog. „Funktionsarzneimittel“ fungiert, aber von dem Hersteller mit entsprechenden wirkstarken Claims wie ein solches beworben bzw. präsentiert wird.
Oft konzentriert sich die „falsche“ Bewerbung auf eine bestimme Zutat des Nahrungsergänzungsmittels oder Kosmetikums, für welches z.B. eine „heilende Wirkung“ versprochen wird. Genau diese werbewirksame Darstellung einer arzneimittelähnlichen Wirkung kann dann dazu führen, dass ein Produkt von den Behörden wie ein Arzneimittel behandelt wird. Sofortige Verkaufsverbote können die Folge sein. Vorproduzierte Verpackungen, Gebrauchsanleitungen und Werbematerialen müssen wegen der irreführenden Texte zurückgenommen werden und die finanziellen Aufwände der bisherigen Produktion sind vergebens. Um nicht in diese Falle zu tappen, empfiehlt es sich, Werbetexte, Websites, Faltschachtelnd und weitere Darstellungen von den genannten Produktgruppen vorher rechtlich checken zulassen. Hier heißt das Motto oft: „Vorsicht ist günstiger als Nachsicht!“
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Zertifizierung und Erstattung meines Medizinproduktes
Liegt ein Medizinprodukt vor, ist für die Inverkehrbringung eine Medizinprodukte-Zertifizierung notwendig. Der Aufwand dafür richtet sich nach der Risikoklasse des Produktes. Se reicht von I bis III, wobei der Software-Bereich für niedrigschwellige HealthCare-Produkte oft im Bereich I bis IIa liegt. Gerade diese Abgrenzung zwischen den Klassen I und IIa weist eine Besonderheit auf. Während ein Klasse-I-Produkt ohne ein Audit-Verfahren durch eine sog. „Benannte Stelle“ wie den TÜV auskommt, gilt dies für die Klasse IIa nicht. Oft wird daher die Abgrenzung der Risikoklassen fokussiert. Mit der entsprechenden rechtlichen Expertise kann hier rechtzeitig eine entscheidende Weichenstellung erfolgen, um ein Produkt in die gewünschten Bahnen zu lenken und den Markteintritt zur Zertifizierung besser kalkulierbar zu machen.
Die Frage der Erstattung eines Produktes durch die gesetzlichen Krankenversicherungen steht dann auf einem anderen Blatt. Hier hat neben der Erstattungsmöglichkeit als „Hilfsmittel“ in letzter Zeit die „DiGA“ von sich Reden gemacht. Dabei handelt es sich um eine „digitale Gesundheitsanwendung“, also ein Software-Medizinprodukt, welches ein Arzt verschreiben kann und welche dann von der GKV erstattet wird. Ob eine Erstattung als DiGA oder als Hilfsmittel in Betracht gezogen werden sollte und wie dieses Ziel erreicht werden kann, ist eine zumeist sehr spezielle Frage, die im Einzelnen für ein spezielles Produkt beantwortet werden sollte. Nur so viel: die Listung als erstattungsfähige DiGA erfordert den Nachweis eines positiven Versorgungseffektes.
In Kooperation mit dem Institut für Qualität und Regulation digitaler Medizin (www.qur.digital) liefern wir Gesamtlösungen und decken sowohl die rechtlichen Themen der Produktbewertung und -Abgrenzung ab, als auch das ggf. notwendige Verfahren zu Zertifizierung und Aufnahme als DiGA oder Hilfsmittel.