DiGA ist keine Lösung für die Arzneimitteltherapie
Um bei Innovationen die Nase vorn zu haben, muss man auch die Mechanismen verstehen, wie man Innovationen für sich nutzbar machen kann. Die optimale Vorgehensweise liegt aber sicherlich nicht darin, der Sau, die gerade durchs Dorf getrieben wird, hinterher zu laufen.
Seit über zwei Jahren ist es nun Gesetz, dass Patienten einen Anspruch auf Digitale Gesundheitsanwendungen – genannt „DiGA“ – haben. Diese neue Versorgungsform hat viel Wind ausgelöst und auch der verschlafenste Digitalisierungsmuffel im Gesundheitswesen hat inzwischen verstanden, dass diese Apps nicht mehr aufzuhalten sind und irgendwie den Markt auch verändern werden.
So kommt die DiGA auch auf die Agenda der Arzneimittelhersteller. Erst überwiegen die Skeptiker, dann die Klugscheisser und schließlich der Gruppenzwang. Das nennt man „viral gehen“. Irgendwie steht das Thema dann überall auf der Agenda und man will so schnell wie möglich alles darüber wissen und dabei sein. Dann werden die ersten Gespräche mit Startups geführt und vielleicht auch schon das ein oder andere Projekt gestartet. Das Marketing schmollt und hält ordentlich gegen, weil der Vorteil hier dem Patienten und nicht wie üblich dem Arzt dienen soll. Aber die Geschäftsführung will sich der Zukunft nicht verschließen.
Fragt man dann nach den Erfolgen dieser Bemühungen und Projekte, bekommt man eher bescheidene Feedbacks. Irgendwann wird es dann heißen: „DiGA, ach ja, das ist das, was nicht funktioniert.“ Marketing: „Siehste“
Kein Wunder. So kann das auch nicht funktionieren. DiGA ist kein Zauberstab für alle Bereiche der digitalen Medizin, sondern ein digitales Medizinprodukt mit einem spezifischen positiven Versorgungseffekt ähnlich wie ein Stützstrumpf oder ein Hüftimplantat. Wenn nun die Arzneimittelhersteller auf diesen Zug aufspringen, dann ist eine Frage häufig auf der Strecke geblieben: Warum?
Auf diese Frage gibt es nun viele individuelle Antworten. Aber nur, wenn der Arzneimittelhersteller umschulen will oder sich ein zweites Standbein als DiGA Hersteller aufbauen will, macht der unmittelbare DiGA Weg auch ungefragt Sinn. Aber Schuster bleib bei deinen Leisten. Der Fokus der Arzneimittelindustrie sollte doch auch bei der digitalen Innovation auf der Arzneimitteltherapie liegen. Und dann steht der Einstieg in die digitale Medizin über DiGA mit vollständig eigenem Nutzen schon mal mit dem falschen Fuß auf.
Schaut man sich dann die Arzneimitteltherapie genau an, wird schnell klar, dass auch hier eine digitale Unterstützung einen großen Vorteil für alle Beteiligten verspricht und dringend angegangen werden sollte. Bei dieser Annäherung kommt man aber nicht unmittelbar auf erstattungsfähige Apps mit einem eigenständigen Versorgungseffekt. Viel näher liegt eine die Arzneimitteltherapie begleitende Anwendungen, die den Patienten bei der Einnahme der Arzneimittel und der hiermit verbundenen Therapie unterstützen. Die Einnahme von Medikamenten ist bei nahezu allen Therapien unumgänglich und somit ist dies ein optimaler Punkt, um den Patienten digital zu unterstützen.
Außerdem fällt einem sofort auf, dass die digitalen Anwendungen offensichtlich eine einzigartige Chance sind einen unmittelbaren Kontakt zum Patienten aufzunehmen. Diese unmittelbare Kommunikation kann außerdem hervorragend für eine effektive Datengewinnung in der Arzneimitteltherapie herangezogen werden und sogar Dreh- und Angelpunkt von neuen Studienmöglichkeiten sein.
Es gibt also viele werthaltige und dringliche Gründe, sich als Arzneimittelhersteller mit der digitalen Medizin am Patienten zu beschäftigen. Mit „DiGA“ oder „Arzt“ fängt keiner von diesen an. Vielmehr lässt sich der offensichtliche Bedarf wohl eher als „Begleitende Informationsanwendungen in der Arzneimitteltherapie“ beschreiben. Dieser Begriff wäre es wert eine Sau ins Dorf zu lassen. Daraus könnte sich eine für diese Branche treffende Diskussion entwickeln. Vielleicht endet die ein oder andere auch mit der Möglichkeit eine DiGA auf den Markt zu bringen. Diese Möglichkeit steht aber als Ausnahme am Ende der Diskussion.
Um nicht allzu wage zu bleiben, hier ein hypothetisches Beispiel für die Möglichkeiten einer Therapiebegleitenden Informationsanwendung:
Der Arzneimittelhersteller könnte auf seine Medikamentenverpackung einen QR-Code drucken. Dieser führt zu einer Therapiebegleitenden Informationsanwendung. In dieser digitalen Anwendung wird dem Patienten sehr anschaulich einiges zu seiner Indikation, seiner Therapie und auch zu dem Medikament erklärt. Vielleicht wird hier auch der lästige Beipackzettel in digital aufbereiteter Form verständlich und intuitiv digital dargestellt. Dann gibt es einen digitalen Pillenwecker und die Möglichkeit die Einnahme der Pillen und ein paar Rahmenparameter zu tracken und zu dokumentieren.
An einer Stelle, wo der Patient bereits Vertrauen in die Anwendung hat, wird ihm angeboten sich zu registrieren, um direkten Kontakt zu dem Arzneimittelhersteller zu halten und – soweit er seine Einwilligung erteilt – auch Daten mit diesem auszutauschen. Daraufhin bekommt er wertvolle Informationen von „seinem“ Hersteller und nimmt auch an einigen Befragungen teil. So konnte er sogar an einer Studie teilnehmen. Der Patient fühlt sich sehr gut aufgehoben und umsorgt.
Der Außendienst dieses Arzneimittelherstellers geht derweilen zu den üblichen Arztbesprechungen und schildert die Vorteile der Anwendung für den Arzt. Der Patient ist gut aufgeklärt und dem Arzt werden unnötige weitere Erklärungen erspart. Er kann seine übliche Therapie nun noch effektiver anwenden und der Patient wird sehr zufrieden sein, wenn der Arzt ihn darauf hinweist, dass der sachliche Vorteil dieses Medikamentes unter vielen gleichartigen der QR Code ist. Marketing ist zufrieden. Mehraufwand des Arztes = 0; Budget = überschaubar; Regulation = schlüsselfertige Lizenz vom digitalen Hersteller; Image = top. Warum reden wir über DiGA? Reden wir über Therapiebegleitende Informationsanwendungen! Sprechen Sie mich gerne an. Einfach…machen.