Berufsrecht und Werbung durch Ärzte auf YouTube, Instagram und Co.
Schon längst hat die moderne Kommunikation im Internet über YouTube, Instagram, Podcasts und Co. auch Einzug in den ärztlichen Bereich gefunden. Hier treten „Ernährungs-Docs“, Virologen und andere medial präsente Ärzte und „Fernsehärzte“ auf. Sie geben oftmals in kompakten und leicht verständlichen Videos und Beiträgen medizinisches Wissen an Interessierte weiter. Wenn dies professionell und unterhaltsam umgesetzt wird, ist das sehr zu begrüßen. Der Nutzer ist nicht mehr allein auf „Dr. Google“ angewiesen, sondern findet Informationen und Rat auch in professionell und journalistisch gut aufbereiteter Art und Weise. Die Telemedizin tut dann ihr Übriges, um die digitale Behandlung abzurunden. So werden auch Menschen erreicht, die Antworten und Lösungen allein von der digitalen Welt erwarten und auch zu Recht erwarten dürfen. Der klassische Arztbesuch wird als Informationsquelle durch niedrigschwellige und zugänglichere Angebote ersetzt.
Viele Ärzte dürften sich nun fragen, ob Sie denn überhaupt als solche medial auftreten dürfen, wo die rechtlichen Grenzen liegen und wie insbesondere die Zuarbeit von Content und die Kooperation mit anderen Unternehmen geregelt ist.
Der rechtliche Rahmen für medial präsente Ärzte und Werbekooperationen wird insbesondere in der ärztlichen Berufsordnung geregelt. Maßgeblich relevant sein kann hier ein berufsrechtliches Werbeverbot, insbesondere das sogenannte „Fremdwerbeverbot“. So lautete § 27 Absatz 3 Satz 4 der Musterberufsordnung Ärzte: „Eine Werbung für eigene oder fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte in Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit ist unzulässig.“ Hintergrund ist nach dem Bundesverfassungsgericht, dass Patienten darauf vertrauen können sollen, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen leiten lässt.
Angenommen, ein Arzt tritt mit einem fachlichen Expertenvideo für ein größeres Unternehmen auf, das ein Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. In einem Video erläutert der Arzt in sachlich-informativer Weise die Wirkung eines bestimmten Inhaltsstoffes. Das Video wird bei YouTube auf dem Kanal des Unternehmens hochgeladen („Unser Expertengespräch mit Dr. Müller zum Thema „Wirkstoff“).
Nun könnte man argumentieren, dass der Arzt hier Werbung für ein fremdes gewerbliches Produkt beziehungsweise Imagewerbung für das fremde Unternehmen macht. In der Folge könnte die zuständige Ärztekammer beispielsweise ein Bußgeld- oder Rügeverfahren gegen den Arzt einleiten. Und Mitbewerber könnten gegen den Arzt ein außergerichtliches oder gerichtliches Unterlassungsverfahren nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) anstrengen.
Doch ist der Tatbestand aus § 27 der Berufsordnungen hier überhaupt erfüllt? Dazu muss man anmerken, dass die Rechtsprechung und Behördenpraxis den neueren Entwicklungen und Auftritten von medial präsenten Ärzten noch etwas hinterherhängt. Viele Facetten zur rechtlichen Beurteilung sind ungeklärt, sodass sich zunächst eine gründliche Betrachtung der Tatbestandsmerkmale anbietet. In einem der wenigen Fälle, die entschieden worden sind, warb ein Arzt auf seiner Homepageunter Nennung des Herstellers für die Vorzüge eines bestimmten Untersuchungsgerätes. Dies wurde dem Arzt als unzulässige Fremdwerbung für das Herstellerunternehmen im Rahmen seiner ärztlichen Betätigung ausgelegt. In einem anderen Fall verlinkte ein Arzt auf seiner Praxis-Homepage eine bestimmte „Folgekostenversicherung“. Hier wurde eine entsprechende Fremdwerbung für das Versicherungsprodukt angenommen. In einem weiteren Fall wurde ein beschuldigter Arzt zu einer Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro verurteilt, weil dieser im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit für bestimmte E-Zigaretten geworben hat.
Im oben genannten Beispielsfall wäre aber zunächst zu prüfen, ob überhaupt eine „Werbung“ vorliegt. Diese erfordert das Ziel beziehungsweise die Absicht der Absatzförderung. Wann das im Einzelfall tatsächlich vorliegt, ist allerdings nicht immer so leicht zu entscheiden. Dazu hat der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil aus dem Jahre 2011 ausgeführt, dass der Begriff der Werbung recht weit auszulegen sei. Gleichzeitig hat das Gericht betont, dass für die Ermittlung einer Werbung primär auf das Ziel einer Botschaft zu achten sei und danach die grundlegende Unterscheidung und Abgrenzung von Werbung zur einfachen Information erfolge.
Im vorliegenden Beispiel könnte das Ziel die reine wissenschaftliche Information zu dem bestimmten und besprochenen Wirkstoff sein. Diese Vermutung wird dann allerdings erschüttert, wenn das Unternehmen, welches das Video in Auftrag gegeben und online gestellt hat, ein Produkt mit genau diesem Wirkstoff vertreibt. Nach einer Gesamtschau des Videos und des hintergründlichen Rahmens, die im Einzelfall mit juristischem Fingerspitzengefühl vorgenommen werden sollte, kann eine Werbung damit auch in der bloßen Veröffentlichung oder Mitteilung sachlich-wissenschaftlicher Informationen bestehen. Es kommt also darauf an, ob auch in diesen wissenschaftlichen Informationen das primäre Ziel der Absatzförderung eingekleidet ist.
Weil eine Werbung anzunehmen wäre, könnte man daher im zweiten Schritt versuchen, den Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit des Arztes auszuklammern, um diesen aus der berufsrechtlichen Schussrichtung zu nehmen. Denkbar wäre es, den Arzt nicht als solchen dar- und vorzustellen, sondern anderweitig als “Experten” zu präsentieren. Schließlich liegt eine berufsrechtswidrige Werbung ja nur dann vor, wenn der Arzt eine Werbung für eigene oder fremde gewerbliche Tätigkeiten oder Produkte in Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit vornimmt. Im genannten Beispiel würde die Ausklammerung seines ärztlichen Hintergrundes wohl nicht in Betracht kommen, weil der involvierte Arzt gerade als solcher auftreten soll/muss, um seine medizinische Expertise zu diesem Inhaltsstoff zu erläutern.
Demgegenüber gibt es aber viele andere Fälle von Ärzten, die medial und werbend auftreten und dabei viele anderen Rollen als die des Arztes für sich verbuchen („Coach“, „Buchautor“, „Moderator“ und so weiter). Hier kann es durchaus möglich sein, diese Personen für Werbemaßnahmen einzusetzen und dabei deren ärztlichen Hintergrund sauber auszuklammern. Das bedingt natürlich, dass die Person gerade nicht als „Arzt“ vorgestellt und schon gar nicht bei der ärztlichen Berufsausübung dargestellt wird (zum Beispiel im Arztkittel). Wird dies beachtet, können sich Ärzte durchaus auch nebengewerblich in der Werbung und für bezahlte Inhalte buchen lassen. Überhaupt stellt sich bei bestimmten Kooperationspartnern (zum Beispiel gesetzlichen Krankenkassen) die Frage, ob ein bezahlter Expertenbeitrag nicht ohnehin erlaubt ist. So könnte man argumentieren, dass eine GKV nicht primär als absatzorientiertes Unternehmen angesehen werden muss und entsprechende ärztliche Beiträge daher mangels Ziel einer Absatzförderung keine „Werbung“ darstellen können.
Die Beispiele zeigen, dass sich Ärzte durchaus in das Terrain einer nebenberuflichen medialen Präsenz wagen können, ohne gleich schlimme Folgen wie kammerrechtliche Verfahren oder gar den Verlust ihrer Approbation befürchten zu müssen. Viele Rechtsfragen sind noch ungeklärt, was Möglichkeiten und Chance eröffnet, die Weichen für eine liberalere Praxis zu stellen. Davon profitieren kann letztlich der User, welche gerade auf diesem Wege gute und fachlich-verständliche Informationen beziehen möchte.